Geschichte des Königreiches Leuwenbourg

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      Geschichte des Königreiches Leuwenbourg



      Geschichte des Königreiches Leuwenbourg


      Es begann alles im Frühjahr 1213. Hieronymus von Leuwenbourg, seines Zeichens freier Reichsritter, brach auf zu einem Kreuzzug Richtung Jerusalem. Unüblicherweise nahm er seine Familie mit. Diese bestand aus seiner Frau und seinem dreijährigen Sohn. Auf der heimatlichen Burg blieb sein jüngerer Bruder zurück. Das Heer der Kreuzritter benötigte für die Reise etwas mehr als 40 Tage. Hieronymus schlug sich tapfer und sammelte Ruhm und Ehre für seinen Kaiser Otto IV. Nach gut sieben Monaten Dienst in Jerusalem trat Hieronymus mit seiner Frau und seinem Sohn die Heimreise an. Doch das Schiff, mit dem sie unterwegs waren, geriet in einen heftigen Sturm. Das Schiff kam weit vom Kurs ab und lief schließlich vor einem unbekannten Landstrich auf Grund. Der Rumpf zerbarst und viele kamen ums Leben. Aber Hieronymus, seine Frau und sein Sohn und dazu noch etwa 40 Personen aus dem Tross, erreichten erschöpft aber lebend das Land. Zuerst wurde in Küstennähe ein Lager eingerichtet. Dort erholte man sich erst einmal vom Schiffbruch.

      Die Hierarchie war von Anfang an klar. Hieronymus war als Ritter der ranghöchste Anwesende und hatte somit das Sagen. Glücklicherweise war Hieronymus von Leuwenbourg ein gebildeter und weiser Mann mit hervorragenden Führungsqualitäten. Diese Tatsache war ein großer Segen für die Gruppe der Schiffbrüchigen.
      Hieronymus wählte die kräftigsten Männer aus. Mit diesen arbeitete er sich zum Wrack vor. Dort bargen sie alles was noch brauchbar war. Werkzeug, Waffen und Lebensmittel. Die Reste des Schiffes wurden zerlegt um aus dem Material Unterkünfte zu bauen.
      Der nächste Schritt war die Erkundung der Umgebung. Ein Erkundungstrupp aus erfahrenen Kämpfern wurde zusammengestellt. Der Trupp wurde für mehrere Tage ausgerüstet. Doch schon am vierten Tag kehrte der Trupp zurück und berichtete, daß die Gegend unbewohnt sei, aber dafür alles bietet um das Überleben auf unbestimmte Zeit sicherzustellen.
      Hieronymus fragte sich, wo er sich befand. Er wunderte sich, daß dieser fruchtbare Ort unbewohnt war. Die ersten Karten, die Anhand der Berichte der Kundschafter gezeichnet wurden, zeigten eine Flußinsel und ein Tal umgeben von hohen Gebirgen.
      Nun gut, die Gegebenheiten waren perfekt. Es gab praktisch unbegrenzt Baumaterial. Holz konnten die ausgedehnten Wälder liefern, Steine konnte man in den Gebirgen abbauen.
      Hieronymus sammelte alle Überlebenden um sich. Er machte den Menschen klar, daß sie hier wohl für lange Zeit, vielleicht sogar für immer hier bleiben mußten. Er bat die Leute mit handwerklichen Kenntnissen vorzutreten. Es war ein Steinmetz, ein Baumeister, drei Tischler, zwei Schmiede, einer davon ein Waffenschmied, und zwei Zimmerleute unter den Überlebenden. Damit waren alle Voraussetzungen vorhanden, um eine befestigte Stadt zu bauen. Dafür eignete sich am besten die Flußinsel, entschied Hieronymus, denn hier hatte man den strategischen Vorteil des natürlichen Schutzes durch den Fluß.

      Gesagt, getan. Das provisorische Küstenlager wurde abgebrochen und auf die Flußinsel verlegt. Dazu wurde ein Transportfloß gebaut um alles auf die Insel zu schaffen.
      Alle arbeiteten Hand in Hand. So wurde der Umzug innerhalb eines Tages bewältigt.
      Zum Sonnenuntergang stand das provisorische Lager auf der Insel.
      Nun konnten sich alle erst einmal erholen.

      Am folgenden Morgen teilte Hieronymus verschiedene Trupps ein. Eine Gruppe wurde zum Holzfällen geschickt, eine weitere Gruppe ging auf die Jagd. Die letzte Gruppe ging mit zwei Bauern an Land und suchte nach geeigneten Anbaugebieten. Unter den vom Schiff geretteten Dingen, war ein Sack mit Getreidesamen. Im Lager errichteten die Schmiede einen Schmelzofen. Dann trugen sie die vielen Eisenbeschläge vom Schiff zusammen und begannen sie einzuschmelzen.
      Die Bauern fingen mit der Hilfe der Landsknechte an, die zukünftigen Felder zu roden und urbar zu machen.
      Die Jäger kehrten nach zwei Tagen zurück. Und sie kamen nicht nur mit reichlich Fleisch zurück, sondern sie zogen vier Pferde und drei Kühe und zwei Bullen hinter sich her. Dem entsprechend hatten sie nicht nur einen müden, sondern vor allem einen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. Sie erstatten auch gleich mit stolzgeschwellter Brust Bericht. Bei der Verfolgung einer Gruppe Rehe trafen die Jäger auf einen See in einem kleinen Talkessel.
      Dort graste eine Herde Wildpferde friedlich neben einer Rinderherde.
      Den Jägern war sofort klar, welch wertvollen Fund sie gemacht haben.
      Sie beschlossen sofort zu versuchen die Tiere einzufangen. Die Jäger überlegten lange, wie sie vorgehen sollten. Schließlich einigten sich die Jäger auf einen erfolgversprechenden Plan.
      Mit Ruhe und Bedacht führten sie ihren Plan aus und wurden mit Erfolg belohnt.
      Hieronymus lobte die Jäger für ihren großen Erfolg.
      Der Ritter bat die Schmiede sofort Zuggeschirre für die Pferde und die Bullen herzustellen.
      Dann schickte er die Bullen zu den Holzfällern. Sie würden beim Holzrücken unschätzbare Dienste leisten können.
      Zwischenzeitlich kehrten die Bauern ins Lager zurück. Auch sie erstatten Bericht. Sie hatten ein großes Feld mit fruchtbarer Erde gerodet und die Wurzeln entfernt. Doch nun benötigten sie einen Pflug.
      Die Tischler machten sich ans Werk und bauten ein Pfluggestell, die Schmiede sorgten für die Pflugscharen. Zwei Pferde wurden den Bauern gegeben um die Feldarbeit zu bewältigen.
      Die Bauern mussten sich beeilen. Das Jahr war weit vorangeschritten. Die Samen mussten schnell in die Erde.
      Unterdessen trafen die Holzfäller mit der ersten Ladung frisch geschlagener Bäume ein. Die Tischler und Zimmerleute arbeiteten Hand in Hand und sägten aus den Bäumen Bretter. Diese wurden dann fachgerecht zum Trocknen aufgestapelt. Aus weiteren Bäumen wurden Kanthölzer und Balken geschnitten.
      Die Steinmetze waren auch nicht untätig. Sie fanden brauchbare Felsformationen wo sie einen Steinbruch anlegen konnten.

      Ein guter Weg war eingeschlagen. Alles was man benötigte war Zeit. Doch die war im Überfluss vorhanden. Das Holz trocknete, Steine wurden behauen, Lehmziegel gebrannt, Eisen geschmiedet, Getreide geerntet, Brot gebacken.

      Nachbarn

      Das Materiallager wuchs rasch. So wurde mit dem Bau von Häusern begonnen.
      Zuerst wurden nur einstöckige Häuser gebaut. Nach einem halben Jahr gab es das Zeltlager nicht mehr. Stattdessen stand ein kleines Dorf aus festen Häusern auf der Flußinsel.
      Nun fand Hieronymus von Leuwenbourg, daß es an der Zeit wäre, die weitere Umgebung zu erkunden. So stellte der Ritter einen gut bewaffneten Erkundungstrupp aus 15 Mann zusammen. Da das Dorf gut geführt wurde, führte Hieronymus den Trupp persönlich an. Die Männer verabschiedeten sich von ihren Familien, sofern sie eine hatten, und brachen auf.
      Der Trupp war beritten und kam schnell voran. Rasch erreichten sie die Grenzen des bereits erkundeten Gebietes. Am Fuß des Gebirges wurde ein Basislager errichtet. Dann teilte sich der Trupp in drei Einheiten. Ein Trupp wurde von dem erfahrenen Landsknecht Hunold angeführt, der zweite von Lienhardt, ebenfalls ein erfahrender Landsknecht und der dritte schließlich von Hieronymus selbst. Jede der Einheiten sollte nach Wegen auf und durch das Gebirge suchen. Hieronymus selbst entdeckte mit seiner Einheit ein Hochplateau. Von hier hatte man einen großartigen Blick über das Tal und die Insel. Hieronymus sah vor seinem geistigen Auge an dieser Stelle eine Wehrburg, die über dem Tal thronte und es schützte. Er nickte zustimmend, denn in einem inneren Zwiegespräch hatte er beschlossen, hier eine Burg zu errichten.
      Es begann langsam die Dämmerung einzusetzen und man beeilte sich zum Basislager zurückzukommen. Dort trafen alle wieder zusammen und tauschten ihre Erkenntnisse aus.
      Hunold berichtete von einer Art Paß, der durch das Gebirge zu führen schien. Hieronymus entschied, das später genauer zu untersuchen.
      Lienhardt berichtete von der Sichtung kleinen Gehöftes. Die Männer sagten, sie hätten dort auch seltsame Pferde gesehen. Man sei sicher, diese Pferde hätten ein Horn auf dem Kopf gehabt.
      Lienhardts Einheit erntete ungläubige Blicke und auch Spott.
      Ritter Hieronymus strich sich nachdenklich den Bart, aber er lächelte nicht.
      Er entschied, daß der ganze Trupp im Morgengrauen aufbrechen und sich die Sache ansehen sollte.
      Vor Sonnenaufgang bereiteten sich die Männer vor. Sie stärkten sich mit einem guten Frühstück. Dann kontrollierten sie Waffen und Ausrüstung. Die Pferde wurden gezäumt und gesattelt.
      Mit dem ersten Sonnenstrahl stiegen die Männer in die Sättel. Hieronymus ritt voraus und die Männer folgten ihm.
      Die Pferde waren ausgeruht und sie kamen gut voran. Am Mittag war der Anstieg geschafft und das Gehöft auf der Hochebene in Sicht.
      Ritter Hieronymus sah sich das Anwesen sehr genau an. Tiere konnte er nicht entdecken, wohl aber einen dünnen Rauchfaden aus dem Kamin. Er erkannte, daß ein ungesehenes Nähern unmöglich war. Vom Gehöft aus konnte man die Umgebung gut sehen. Es gab keine Deckung. Allerdings machte das Gehöft auch keinen bedrohlichen Eindruck. Doch Hieronymus wußte, der Schein konnte trügen. Er trug den Männern auf, wachsam zu sein.
      Dann näherten sie sich gespannt dem Gehöft.
      Nur noch wenige Meter trennten den Trupp von dem Tor der Hofmauer.
      Da trat ein alter Mann vor das Haus. Er trug einen langen Ledermantel und hatte langes schlohweißes Haar und einen ebensolchen langen Bart. Er sah die Männer prüfend an.
      Hieronymus hatte das Gefühl, daß ihn dieser Blick bis auf seine Knochen durchdrang und er hielt den Trupp an. Der Ritter spürte etwas besonderes an dieser Gestalt. Doch er hätte nicht sagen können, was es war.
      Hieronymus stieg vom Pferd und ging zu Fuß auf das offene Tor zu. Der alte Mann kam ihm entgegen. Sie trafen sich vor dem Tor.
      Hieronymus verbeugte sich respektvoll und stellte sich und seine Männer vor und schilderte kurz umrissen die Umstände wie sie hierher gelangt waren.
      Der alte Mann sah ihn dabei durchdringend aus seinen eisgrauen Augen an.
      Es fröstelte Hieronymus ein wenig, er hatte das Gefühl, daß dieser Blick bis in seine Seele reichte. Hieronymus schloß mit den Worten: „Würdet Ihr mir verraten, mit wem wir das Vergnügen haben?“ Das wettergegerbte Gesicht des alten Mannes verzog sich fast unmerklich zu einem Lächeln. „Das will ich gern tun. Mein Name ist Merlin Emrys.“, sagte er mit einer ungewöhnlich jungen und sanften Stimme, die überhaupt nicht zu seiner Erscheinung passen wollte.

      Merlin

      Hieronymus zog die Augenbrauen zusammen und strich sich nachdenklich über den Bart.
      „Der Name ist mir bekannt. Allerdings aus einer alten englischen Sage. Es geht da um den englischen König namens Artus Pendragon. Das alles soll vor über 500 Jahren geschehen sein. Also könnt ihr unmöglich dieser Merlin sein.“, folgerte er.
      Merlins Lächeln wurde breiter. „Ich bin eben dieser. Alter ist für mich kein Problem. Ich gehöre zum Kreis der 10 Druiden, denen Unsterblichkeit verliehen wurde. Ich wurde vor ungefähr 1000 Jahren geboren, als Sohn eines Druiden des Kreises der 10. Im Alter von 50 Jahren rückte ich in den Kreis der 10 nach. Mein Vater starb im Kampf gegen einen mächtigen Schwarzmagier. Die Unsterblichkeit bezieht sich nur auf die Biologie. Wir altern nicht und werden nicht krank. Auch Verletzungen heilen schnell und spurlos. Selbst schwere Verletzungen. Aber der Tod kann uns durch Enthauptung oder einen starken schwarzmagischen Fluch ereilen. Zumindest unser Körper kann dann sterben. Ich weiß, das ist für einen sterblichen Menschen schwer zu verstehen. Nimm es einfach als gegeben hin.“, erklärte er Hieronymus. Dessen Augen waren stetig gewachsen und glichen nun eher Untertassen. „Ich habe jetzt Fragen. Viele Fragen. Mehr als ich formulieren könnte.“, sagte der Ritter um Fassung bemüht und fuhr fort: „Meine Männer berichteten von Pferden mit einem Horn. Kann es sein, daß Einhörner tatsächlich existieren? Ich dachte immer, das seien nur Märchen. Und was ist jetzt mit unserem Dorf? Ihr seid ein mächtiger Magier und könntet uns hier vertreiben.“ Merlin nickte bedächtig: „Ja, eure Männer haben richtig gesehen. In den Wäldern ringsherum leben die letzten Einhörner dieser Welt. Ich habe sie hier gesammelt, wo ich mich um sie kümmern kann und für ihren Schutz sorgen kann. Auch euer Dorf steht unter meinem Schutz, oder glaubt ihr, sonst hättet ihr dieses Land finden können? Das Land steht unter einem Bann, der es für Sterbliche unsichtbar macht. Der Sturm hat euch zufällig in diese Gefilde verschlagen. Ich bin schon lange hier. Schon viele einsame Jahrhunderte. Darum beschloß ich, euch an Land zu lassen. Da ich auch merkte, daß ihr gute Menschen seid.“
      Hieronymus nickte: „Das erklärt, warum dieses Land auf keiner Seekarte verzeichnet ist.“
      Merlin nickte schmunzelnd. „Das ist eine Menge auf einmal. Ich weiß noch nicht, wie ich das meinen Männern und den Anderen klarmachen soll.“, fuhr Hieronymus fort.
      Merlin streckte seine Hand aus und legte sie auf die Schulter von Hieronymus: „Mach dir darüber keine Gedanken, ich werde dir dabei zur Seite stehen. Am besten reiten wir zusammen ins Dorf.“ „Einverstanden, aber wir haben kein Reservepferd dabei.“ „Das ist kein Problem. Eigentlich könnte ich sofort im Dorf erscheinen, aber das lasse ich lieber, das würde eine Panik auslösen. Ich habe jedoch mein eigenes Reittier.“, sagte Merlin mit einem breiten Grinsen. Er drehte sich um und sprach seltsame Laute. Daraufhin näherte sich ein Einhorn mit bläulich leuchtendem Fell. „Das ist Aingeal An Álainn.“, stellte Merlin das wunderschöne Einhorn vor. Das Einhorn senkte den Kopf und Merlin berührte das Horn. Ein heller Lichtblitz flammte auf und das Einhorn sah wie ein gewöhnliches Pferd aus.
      Staunend verfolgte Hieronymus das Geschehen. Merlin führte das Pferd durch das Tor und saß auf. „Was ist? Können wir?“, fragte Merlin grinsend, als ob nichts ungewöhnliches geschehen sei. Hieronymus schüttelte verdattert den Kopf und ging zu seinem Pferd zurück.
      Die Männer blickten ihn fragend an. Hieronymus versuchte, so gut er konnte, seine Männer auf den neuesten Stand zu bringen.
      Dann setzte sich eine seltsame Prozession in Bewegung. Merlin ritt neben Hieronymus und es folgten 14 Männer mit verwirrten Gesichtern.

      Städtebau im Zeitraffer

      Nach einem ruhigen Ritt traf der Trupp in dem kleinen Hüttendorf ein.
      Neugierig und gespannt blickten die Bewohner von ihrer Arbeit auf und betrachteten den Fremden, der da mit ihren Leuten eintraf.
      Hieronymus ritt bis auf den Platz in der Mitte des Dorfes. Dann stieg er ab und holte ein Signalhorn aus seiner Satteltasche. Er blies hinein und ein durchdringendes Röhren erklang.
      Alle Dorfbewohner eilten zum Dorfplatz.
      „Liebe Leute,“, begann Hieronymus zu sprechen, „wir haben den Herrn dieses Landes gefunden.“ Auch Merlin war abgestiegen und gesellte sich neben den Ritter. „Dies ist Merlin Emrys. Ein Magier aus alten Tagen.“ Ein Raunen ging durch die Menge und die Gesichter wurden ängstlich. „Seid ohne Furcht. Merlin ist uns wohlgesonnen und ein Freund. Er wird nun selbst zu euch sprechen.“, schloß Hieronymus seine Ansprache.
      Merlin nickte und lächelte freundlich. Dann begann er: „Zuerst möchte ich euch willkommen heißen. Ich freue mich, daß ihr den Weg hierher gefunden habt. Zu lange schon war ich hier allein mit... äh... meinen Tieren. Es ist schön, wieder nette Gesellschaft zu haben.
      Wie ich sehe, habt ihr euch schon recht gut eingerichtet. Es ist immer wieder erstaunlich, was eine Gruppe von Menschen zu leisten vermag, wenn sie nur zusammenhält.“ Beifälliges Gemurmel kam auf und die Leute entspannten sich. „Als Zeichen meiner Gastfreundschaft, möchte ich euch bei eurer Arbeit ein wenig helfen.“ Merlin grinste verschmitzt. „Aber dazu brauche ich noch etwas Hilfe. Ihr werdet jetzt einige Wunder sehen, doch fürchtet euch nicht.
      Nur um eines muß ich euch bitten, wenn ich es euch sage, nehmt eure persönliche Habe und geht auf die andere Seite des Flußes. Und nun rufe ich meine Freunde. Bleibt ruhig und bewegt euch nur langsam, denn sie sind sehr scheu.“ Merlin sah in erwartungsvolle, leicht ängstlich wirkende, Gesichter. Er nickte den Leuten freundlich zu.
      Dann hob er eine Hand und Aingeal An Álainn gesellte sich zu ihm. Merlin legte eine Hand auf das „Pferd“ und die Luft begann leicht zu flimmern. Plötzlich stand Aingeal An Álainn mit flammendem Horn in seiner ganzen Pracht da. Staunende Ohs und Ahs entwichen den Umstehenden. Alle kannten sie die Geschichten von den magischen Tieren, aber gesehen hat natürlich noch keiner eines. Merlin hob beide Arme und rief: „Cairde, tar chugam. Is gá dom duit.” Das Horn von Aingeal An Álainn begann hell zu leuchten und ein vibrierender Summton entstand.
      Dann wurde es still. Die Leute wagten kaum zu atmen.
      Plötzlich spürten sie, wie der Boden unter ihren Füßen zu vibrieren begann.
      Und dann drang schon das Geräusch donnernder Hufe an ihre Ohren.
      Mehr als zwanzig Einhörner donnerten mit wehenden Mähnen auf das Dorf zu.
      Merlin sagte nur: „Ruhig. Bewegt euch nicht.“ Und lächelte breit.
      Kurz vor Merlin drosselte die Einhornherde ihr Tempo. Gemächlich versammelten sie sich um Merlin herum. Dieser wandte sich nun an die Einhörner: „Go raibh maith agat as teacht. An mbeidh tú ag cabhrú liom?” Ein ohrenbetäubendes Wiehern war die Antwort.
      Dann sprach Merlin zu den Menschen: “Geht jetzt. Geht auf die andere Flußseite.”
      Murmelnd machten sich die Leute mit ihrem Hab und Gut auf den Weg.
      Nach etwa drei Stunden waren alle dort eingetroffen. Begleitet von ihren Pferden und sonstigen Haustieren. Erwartungsvoll blickten sie nun alle zur Flußinsel.
      Merlin bewegte sich in die Mitte der Insel. Dann hob er beide Arme.
      Die Einhörner setzen sich in Bewegung. Sie bildeten einen weiten Kreis um Merlin.
      Sämtliche Hörner flammten auf und hüllten die Insel in ein gespenstisches Licht.
      Dann kam ein Nebel auf und die Menschen am Fluß sahen nur noch blau leuchtenden Nebel.
      Der Boden zitterte unter ihren Füßen.
      Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Dann gab es einen Knall, der die Luft erzittern ließ.
      Die Menschen fuhren zusammen. Und ihre Augen weiteten sich, als Merlin plötzlich mitten unter ihnen auftauchte. Er wirkte etwas erschöpft und sprach: “Wartet bis der Nebel sich verzieht.”
      Gebannt blickten alle stumm in den Nebel.
      Dann begann sich der Nebel zu lichten.
      Ungläubiges Staunen war nun geräuschvoll zu vernehmen.
      Die Einhörner waren verschwunden und auch ihr selbstgebautes Dorf.
      Dafür blickten die Leute nun auf eine Stadt. Mit Stadtmauern und vielen Häusern.
      Wachtürme und Stadttore wurden sichtbar. Sogar eine Markgrafenburg schälte sich aus dem Nebel. Über die Flüsse spannten sich plötzlich drei Brücken.
      Die Augen der Leute konnten unmöglich größer werden.
      Merlin grinste und sprach: “Willkommen zu Hause. Willkommen im Königreich Leuwenbourg.” Ritter Hieronymus von Leuwenbourg sah Merlin völlig verdattert an. “Ist schon recht so.”, grinste Merlin. “Geht nun in die Stadt und sucht euch eure Häuser. Ich habe an alles gedacht. Alle Häuser sind eingerichtet. Und unter jedem Bett steht ein sauberer Nachttopf. Bis bald, ich muß ein wenig ruhen.” Lachend winkte Merlin den Leuten zu und verschwand mit einem Plop.
      Hieroymus faßte sich als erstes: “Also gut. Tun wir, was Merlin gesagt hat.” Er schwang sich auf sein Pferd, überquerte die neue Brücke und ritt durch das ebenso neue Stadttor in die Stadt. Dabei entfuhr dem Ritter gebetsmühlenartig das Wort: “Unglaublich!”
      Die anderen Leute folgten langsam ihrem Anführer. Ebenso staunend gingen sie durch die glänzend neuen Straßen und bewunderten die herrlichen Häuser. Es war alles da. Wirtshäuser, Gildenhäuser, Handwerkerhäuser, Patrizierhäuser, einfach alles. Immer wieder klopfte man auf die Steine, um sich zu vergewissern, daß das kein Traum war. Bis zum Abend hatte jeder seine Unterkunft ausgesucht. Hieronymus bezog standesgemäß Quartier in der Markgrafenburg.
      Es dauerte noch lange, bis die Menschen in dieser Nacht Schlaf fanden. Und es lag sicher nicht an den himmlischen Betten.


      Fortsetzung folgt...