Eine kleine Geschichte...

      Eine kleine Geschichte...

      Eine kleine Geschichte



      „Segel am Horizont“, brüllt der Ausguck.
      Der Kapitän brüllt hoch: „Was für eine Flagge?“
      „Die Totenkopfflagge!“, lautet die Antwort.
      Die Mundwinkel des Kapitäns verziehen sich zu einem zufriedenen Grinsen.
      „Hab ich dich.“, denkt Kapitän Hornigold zufrieden.
      Und schon brüllt er die Kommandos: „Alle Mann in die Wanten. Volles Zeug! Kanonen klar machen.“
      Die Fregatte holt die Piratenbrigg beängstigend schnell ein.
      Mit zusammengekniffenen Augen schätzt der Kapitän die Entfernung ein.
      Dann gibt er den Befehl: „Hart Backbord.“
      Der Steuermann bringt das Ruder in Windeseile in Stellung.
      Die Mannschaft brasst die Segel.
      Die Fregatte neigt sich.
      Der Steuermann bringt das Ruder wieder in die Ausgangsposition.
      Die Fregatte richtet sich wieder auf.
      Die Stückpforten werden geöffnet.
      Zwanzig Kanonen sind auf die Brigg gerichtet.
      „Volle Breitseite!“, brüllt Hornigold.
      Der Rest geht unter in Donnern und Pulverdampf.
      Die Sicht wird wieder klar.
      Der Brigg fehlen zwei Masten und Rauch steigt auf.
      Hornigold nickt zufrieden. „Klar zum Entern“, lautet der Befehl.
      Und während die Fregatte wieder in den Wind dreht und die Entfernung zur Brigg schrumpft, stimmen die Matrosen ein Lied an:





      Die Fregatte geht längsseits. Die Segel werden gerefft und die Enterhaken fliegen hinüber.
      Hornigold brüllt übers Deck: „Musketiere in Stellung.“
      In Zweierreihen stellen sich die Musketiere an der Reling auf und zielen.

      Die Piraten sind schwer angeschlagen. Die Breitseite der Fregatte hat einen hohen Blutzoll gefordert.
      Auch den Kapitän hat es erwischt. Das Kommando der Piratenbrigg führt jetzt der erste Offizier.
      Seamus Finnigan ist ein tapferer und furchtloser Mann, aber er ist kein Dummkopf.
      Er befiehlt den Männern die Waffen fallen zu lassen.

      Hornigolds Gesichtszüge entspannen sich. Er hatte gehofft, daß es zu keinem weiteren Blutvergießen kommt.
      Es wäre nur sinnlose Schlächterei gewesen.
      300 königliche Soldaten gegen ungefähr 80 Piraten, davon einige noch verwundet.
      Das wäre unehrenhaft gewesen. Und das ist etwas, das Kapitän Benjamin Hornigold nicht sein wollte. Er ist ein Ehrenmann.
      Er lässt die Musketiere wegtreten und geht zur Reling.
      Sein Ruf gilt der Brigg: „Wer hat das Kommando?“

      Ein rothaariger Baum von einem Mann tritt vor und ruft: „Seamus Finnigan, Sir. Erster Offizier der Santa Lucia.
      Kapitän Rodriguez wurde vom Fockmast erschlagen. Wir haben einen spanischen Kaperbrief.“
      Hornigold dreht sich nach hinten und ruft: „Planke!“ „Aye.“ Zwei Matrosen eilen mit einer Planke herbei und legen sie an.
      „Kommen Sie herüber, Mr. Finnigan.“, ruft Kapitän Hornigold.
      Seamus Finnigan klettert über die Planke auf die Fregatte.
      Kapitän Hornigold reicht ihm die Hand. „Willkommen an Bord. Wie ist der Zustand des Schiffes?“, erkundigt sich Hornigold.
      „Nicht gut, Sir. Das Feuer konnte gelöscht werden. Aber es gibt Wassereinbruch. Ich glaube nicht, daß die Santa Lucia noch zu retten ist.“
      „Hm, Ladung?“ „Die Laderäume sind gut gefüllt. Kapitän Rodriguez sind einige englische Schoner in die Hände gefallen.“
      Hornigold nickt grimmig. „Nun, diese Zeiten sind nun vorbei. Sehen wir, was zu retten ist.“ Hornigold dreht sich um: „Holt die Überlebenden auf die Pearl und bergt die Ladung.“, befiehlt Hornigold.
      Die Soldaten beeilen sich die Befehle auszuführen.

      „Folgen Sie mir, Mr. Finnigan.“, sagt Hornigold dann zu Seamus Finnigan.
      Der Kapitän der Pearl geht voraus und steuert die Kapitänskajüte an.
      „Setzen Sie sich, Mr. Finnigan. Erzählen Sie mir, wie ein Ire auf einen spanischen Kaperfahrer kommt.“
      „Gern, aber gestatten Sie mir die Frage, was geschieht mit den Männern?“
      „Sie sind ein guter Offizier. Das habe ich sofort gesehen.“, sagt Hornigold anerkennend und fährt fort: „Machen Sie sich keine Sorgen. Die Überlebenden der Santa Lucia werden bei der nächsten spanischen Kolonie an Land gelassen. Ich hatte nur den Auftrag Rodriguez aus dem
      Verkehr zu ziehen. Dieser Auftrag ist erfüllt. Aber nun sind Sie dran.“
      Seamus Finnigan beginnt seine Geschichte zu erzählen.
      Dabei hört man die Matrosen arbeiten.





      Seamus erzählt die Geschichte seines Lebens.
      Hornigold ist sehr beeindruckt.
      „Was halten Sie davon, als Offizier auf der Pearl Dienst zu tun?“, fragt Hornigold schließlich.
      Finnigan war überrascht. Er hat nicht mit einem solchen Angebot gerechnet. Er dankt und nimmt an.
      „Fein.“, meint Hornigold, „Dann wollen wir mal sehen, wie weit die Bergung ist.“
      Er verlässt zusammen mit Finnigan die Kapitänskajüte und geht an Deck.

      „Bericht?“, fordert er vom Decksoffizier. „Besatzung der Santa Lucia an Bord. Verwundete werden bereits vom Schiffsarzt versorgt. Die Ladung wurde gesichert und in unseren Laderäumen verstaut.“, antwortet der Decksoffizier.
      „Sehr gut. Wurde auch Zeit. Wie ich sehe, hat die Santa Lucia viel Wasser aufgenommen. Ich schätze, in der nächsten Viertelstunde sinkt sie.
      Lassen Sie die Mannschaft antreten. Wir wollen der Santa Lucia und den Gefallenen die letzte Ehre erweisen.“
      „Aye, Sir.“, erwidert der Decksoffizier und gibt die nötigen Befehle weiter.

      Kurze Zeit später ist die Mannschaft angetreten, auch die Überlebenden der Santa Lucia, soweit es ihnen möglich ist.
      Der Kapitän hält eine kurze Gedenkrede und überlässt dann Seamus Finnigan das Wort.
      Seamus gedenkt seiner Kameraden mit persönlichen Worten.
      Während dieser Feierlichkeiten hört man das Wasser in die Santa Lucia rauschen.

      Hornigold befiehlt die Taue zu kappen.
      Der letzte Halt der Santa Lucia ist fort und sie sackt gut zwei Meter tiefer.
      Das Gurgeln des Wassers schwillt an. Die ersten Wellen schwappen über das Deck.
      Dann neigt sich der Bug nach vorn und die Santa Lucia nimmt Fahrt auf und gleitet hinab in die Tiefen des Ozeans.




      Hornigold setzt seinen Hut wieder auf.
      Die Mannschaft tut es ihm gleich.
      Dann donnert Hornigolds Stimme über das Deck: „Alle Mann auf Posten. Segel setzen. Kurs auf Guadeloupe.“
      „Aye.“, lautet die vielstimmige Antwort.

      Die Matrosen besteigen die Wanten und machen das Zeug los. Alle Segel werden gesetzt und die Pearl nimmt Fahrt auf.
      Der Steuermann setzt den Kurs.




      Nach einer Woche auf ruhiger See kommt Guadeloupe in Sicht.
      Der Ausguck informiert Hornigold.
      Dieser nimmt seinen Feldstecher zur Hand und sieht, daß die Ankunft der Pearl nicht unbemerkt blieb.
      Die Spanier sind dabei ihre Kanonen in Stellung zu bringen.
      Hornigold lächelt anerkennend. Der Kommandant ist auf der Hut.
      Hornigold lässt die weiße Flagge hissen. Er lässt die Pearl vorsichtig weiter in Richtung Hafen gleiten.
      Als sie auf Signalentfernung herangekommen sind, lässt Hornigold den Spaniern mitteilen, daß sie Schiffbrüchige der spanische Krone anlanden wollen. Kurze Zeit später kommt die Antwort. Die Spanier erlauben die Hafeneinfahrt.

      Langsam gleitet die Pearl an den Kai. Die Spanier haben am Kai Stellung bezogen.
      Die Landungsbrücke wird angelegt. Der spanische Garnisonskommandant betritt die Pearl und begrüßt Kapitän Hornigold.
      Die beiden unterhalten sich kurz, dann reicht man sich respektvoll die Hand. Der Kommandant verlässt das Schiff und lässt Karren für die Verwundeten holen.
      Die Überlebenden der Santa Lucia verlassen die Pearl. Jeder dankt Hornigold persönlich zum Abschied.

      Nachdem der letzte Überlebende von Bord gegangen ist, grüßt der Kapitän noch einmal den Kommandanten und lässt ablegen.
      Der Kommandant grüßt zurück und lässt die Truppen wegtreten.
      Die Pearl gleitet langsam aus dem Hafen von Guadeloupe.
      Hornigold lässt Kurs auf St. Kitts nehmen.



      Nach einer ruhigen Fahrt trifft die Pearl am folgenden Tag im Hafen von St. Kitts ein.
      Das Schiff wird vertäut.
      Die Besatzung bekommt Landgang und das Schiff wird vom Hafenmeister neu ausgerüstet.

      Währenddessen macht sich Benjamin Hornigold auf den Weg zum Gouverneur.
      Er wird begleitet von Seamus Finnigan.
      Der Gouverneur übergibt Kapitän Hornigold die neuen Befehle des Königs. Sie werden ihm in einem versiegelten Umschlag übergeben.
      Der Gouverneur hat keine Kenntnis über den Inhalt.
      Hornigold stellt dem Gouverneur seinen neuen Offizier vor. Der Gouverneur bestätigt den neuen Rang von Seamus Finnigan und weist an, für das neue Mitglied der königlichen Marine Uniformenausstattung anzufertigen.
      Die Pearl bleibt vier Tage in St. Kitts.

      Als die Mannschaft wieder vollständig versammelt ist, tritt Kapitän Hornigold vor sie.
      „Männer, es geht nach Hause. Der König hat uns nach England beordert.“, verkündet Hornigold.
      Lauter Jubel antwortet ihm.
      „Mr. Finnigan, Sie haben das Kommando.“, schließt der Kapitän.
      Seamus Finnigan ist neuer erster Offizier der Pearl.
      Sein Vorgänger hat ein eigenes Kommando erhalten und bleibt in St. Kitts.

      So donnert die kraftvolle Stimme des irischen Hünen über das Deck:
      „Segel setzen. Volles Zeug. Es geht heimwärts.“
      Erneut brandet Jubel auf.
      Der Steuermann bringt die Pearl in den Wind.
      Mit vollen Segeln teilt das Schiff die Wellen.

      Kurs: England



      Zur Geschichte.


      Diese Geschichte habe ich exklusiv für diesen Rahmen geschrieben.
      Die Handlung ist frei erfunden, hätte aber um 1700 so stattfinden können.

      Kapitän Benjamin Hornigold hat tatsächlich gelebt. Er war Kaperfahrer im Auftrag der britischen Krone im spanischen Erbfolgekrieg, zwischen 1716 und 1717 als Pirat aktiv, später Piratenjäger. Zu Beginn gehörte Edward Thatch zu seiner Mannschaft.
      Dieser wurde später unter dem Namen Blackbeard berühmt berüchtigt.
      Im Jahr 1719 wurde Hornigold nach Mexiko auf eine Handelsreise geschickt. Dabei lief sein Schiff auf ein Riff fern der Küste und sank. Die gesamte Besatzung und Hornigold selbst fanden dabei den Tod.

      Den Namen Seamus Finnigan hab ich mir woanders ausgeborgt.
      Wer kommt drauf? :D

      Auch die Pearl hat wirklich existiert. Die Pearl war ein 1708 erbautes englisches Kriegsschiff fünften Ranges.
      Die Fregatte war mit 42 Kanonen bestückt.
      Zu damaliger Zeit nannte man diese Art von Kriegsschiffen generell Fregatten. Später wurde feiner unterteilt.
      Ihre Crew war 1718 an der Jagd und dem Tod von Blackbeard beteiligt.


      Ihr dürft gerne schreiben, ob euch diese kleine musikunterlegte Geschichte gefallen hat, oder ggf. auch nicht ;)